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Ist Öl ein klarer Short?

Wenn wir diese beiden Preise als Bestandteil eines Beispiels verwenden wollten, so würde sich daraus ergeben. Aktueller Preis des Futures: unterhalb $20 Dollar. Verkauf des $20er Call (am Geld) zu circa $5.40 und Kauf des $25er Call (aus dem Geld) zu circa $2.75 (zu beachten: diese Optionen haben einen Multiplikator von 1000). Die ideale Erwartung, welche dieser Strategie zugrunde liegt, ist der wertlose Verfall beider Optionen bei einem Future-Preis unter $20 zum Verfallsdatum. Bei dieser Konstruktion ist sowohl der Gewinn als auch der Verlust begrenzt. Der Gewinn besteht aus der Differenz der erhaltenen Prämie von $5.40(short Call $20) abzüglich der bezahlten Prämie von $2.75(long Call $25), also $2.65 (mal 1000). Sollte sich der Preis zum Verfall jedoch oberhalb von $25 Dollar bewegen, so ist unser Verlust limitiert auf die Differenz zwischen $20 und $25 abzüglich der eingenommenen Prämie: also $5 minus $2.65…… ist gleich $2.35. Schon der Verlust des Zeitwerts, denn aus nichts anderem besteht der Preis für die Optionen „aus dem Geld“, kann einige Tage vor dem Verfall das Schließen dieser Position sinnvoll machen.

Eine weitere Strategie, welche sich im Rahmen der aktuellen Bedingungen anbietet ist der sogenannte Calendar-Spread. Es wird der „Front month“, also der aktuelle Future mit dem nächsten Verfallsdatum verkauft(geshortet) und der nächste Verfallsmonat gekauft. Diesen Spread kann man unter „normalen Umständen“ auch anders herum aufbauen, da auch hier ein Zeitwertverlust auftritt und den Spread verringert. Im folgenden Bild sehen wir den Crude Oil Juni Kontrakt in Candlesticks und den Juli Kontrakt als Linien-Chart.



Wenn es in der Geschichte der Finanzmärkte eine Kategorie der „unvergesslichen Ereignisse“ gibt, so wird wohl der 20. April 2020 dort seinen Platz finden als der „Tag , an dem der Öl-Future erst auf null und dann ins Negative rutschte“. Genauer gesagt: der Future auf lieferbares Rohöl der Sorte WTI (West Texas Intermediate).


Damit ist das bis zum heutigen Tage Undenkbare passiert. Es gab Öl umsonst oder vielmehr…… mit einer Abnahmeprämie obendrauf…., denn die Ölproduzenten waren bereit, ihren Kunden einen Aufpreis für den Erwerb von Öl zu bezahlen. War das ein Geschenk der Ölindustrie an die Bevölkerung oder der Beginn auf dem Weg in den Sozialismus?….. „Sozialismus“ ist nach wie vor ein Schimpfwort in den USA und das Kapital verschenkt nichts. Es gibt eine sehr einfache Erklärung. Nachdem durch den weltweiten „Corona-Lockdown“ die Wirtschaft weltweit quasi zum Stehen gekommen ist, wird weder Rohöl verarbeitet, noch werden auf Öl basierte Güter und Treibstoffe verbraucht, wie es unter normalen Umständen der Fall ist. Wir reden von circa 90 Millionen Barrel pro Tag….Das führt zu einem Lagerstau von ungeahnten Ausmassen. Die Lagerkapazitäten sind erschöpft, es werden hier und da Öltanker gemietet um zwischen zu lagern. Die Fracht ankommender Öltanker wird nicht gelöscht…..


Wer also zum Zeitpunkt des Verfalls des Futures am 20.April eine Long-Position hielt, musste diese entweder verkaufen oder die Lieferung von 1000 Barrel pro Kontrakt akzeptieren und……organisieren! In gewisser Weise hatte diese Situation eine spiegelverkehrte Ähnlichkeit mit dem legendären Short-Squeeze in der Volkswagen-Aktie im Oktober 2008. Was war damals passiert? David kauft Goliath, so der – je nach Lesart wagemutige oder größenwahnsinnige – Plan von Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und seinem Finanzchef Holger Härter. Der ungleich kleinere Sportwagenhersteller Porsche plante unter der Ägide Wiedekings bereits seit 2005 die Übernahme des großen VW-Konzerns. Der Kursverfall der VW-Aktie im Zuge der Finanzkrise kam Wiedeking und Härter da gerade recht. Über schwer durchschaubare Spekulationen mit Optionen und Derivaten, sicherten sie sich VW-Stammaktien. Am 26. Oktober 2008 ließ Porsche dann die Marktbombe platzen: Die Stuttgarter meldeten eine Aktienmehrheit von 74,1 Prozent an der Volkswagen AG. Für den Markt kam diese Meldung völlig überraschend. Vor allem Leerverkäufer wurden auf dem falschen Fuß erwischt. Da zum damaligen Zeitpunkt die anteilige Menge der im freien Handel befindlichen Aktien nur in etwa bei 5% lag (20% hält das Land Niedersachsen), entwickelte sich in den Tagen darauf der wohl spektakulärste Short-Squeeze der Geschichte. Die Volkswagen-Aktie kletterte in der Spitze auf rund 1000€ und machte damit die Volkswagen AG kurzzeitig zum teuersten Unternehmen der Welt. Der finanzielle Schaden in der Hedgefond Branche betrug schätzungsweise 15 Milliarden Euro.


Was ist nun die Ähnlichkeit mit dem Vorfall im Ölmarkt? Viele unerfahrene Marktteilnehmer waren geblendet von dem ungewöhnlich niedrigen Preis des Öl-Futures und sahen darin eine einmalige Chance auf grosse Spekulationsgewinne. Wann kostet ein Barrel Öl schon weniger als $10 US-Dollar…..oder $7……oder $5……$1????? Das kann nur wieder nach oben, denn das ist geschenkt. Und im schlimmsten Fall interveniert die FED mit Stützungskäufen……oder die Regierung.


Nun ist die Natur eines Futures-Kontraktes anders als die einer Aktie oder eines ETFs. Der Future ist ein Termingeschäft, welches für den Käufer eine physische Lieferung des Underlyings, also des gehandelten Produkts vorsieht. Als die Käufer des sich im Verfall befindenden Kontraktes realisierten, dass aus ihrem Anspruch auf den Erwerb von WTI zu einem Schleuderpreis auch die Verpflichtung entstanden war, die gehandelte Menge physisch entgegenzunehmen, brach die Panik aus. Denn wo kann man kurzfristig und zu überschaubaren Kosten 1000 Fässer Öl/Kontrakt lagern?…. Und so zahlten diese „Kurzfrist-Ölbesitzer“ nun wiederum eine Prämie, um ihre erworbenen Mengen NICHT geliefert zu bekommen… der Preis für den Future ging erstmals in der Geschichte in den negativen Bereich und erreichte im Tief den Stand von minus $40,32 Dollar.


Der Schaden, welcher allein aus der Nachschusspflicht in den Kreisen nicht nur der „Retail Trader“ sondern auch der selbsternannten Genies der Finanzspekulation entstanden ist, wird aktuell noch errechnet. Abgesehen davon führte der Ansturm der Öffentlichkeit auf Öl-ETFs wie USO (United States Oil Fund LP) zu deren ungewöhnlich hohen Anteil in der sogenannten „Open interest“ im Future, also Long-Positionen zum nächsten Verfallsdatum; dieser Anteil wird allein für USO auf 30% geschätzt und wird unweigerlich zu weiteren Schwierigkeiten bei den Bestellungen von Lagerkapazitäten führen.


Wie wird es nun weitergehen in Öl, wie wird sich der Preis unter den gegebenen Umständen verhalten. Nachdem wir einerseits aufgrund der Ankündigungen der arabischen Staaten Anfang März bereits einen 25%tigen Kurseinbruch erleben durften und der Corona-Lockdown sein Übriges dazu tut, sieht es fundamental für den Rohöl-Preis eher schlecht aus. Wenn von Seiten der OPEC nicht bald deutliche Signale zur Reduzierung der Fördermengen kommen und die weltweite Produktion nur unter Schwierigkeiten wieder anläuft, müssen wir mit einer mittelfristigen Stabilisierung des Preises unterhalb von $20 Dollar rechnen. Angesichts der Tatsache, dass die Produktionskosten für ein Barrel Öl in Saudi Arabien circa $7, in Russland $5 kostet, werden diese Länder unter Schwierigkeiten diese Phase überstehen, wenn auch gerade im Nahen Osten für viele Länder Rohöl die Haupteinnahmequelle darstellt. Für die USA sieht es im Bereich der Schieferöl-Förderung mittels Fracking schon anders aus. Die Produktionskosten liegen hier zwischen $50 und $55 Dollar und werden somit in den kommenden Wochen und Monaten zu einer Auslichtung und Bereinigung des Marktes führen. Zumal ein grosser Anteil dieser Produktion mit Krediten finanziert wurde, führt es höchstwahrscheinlich zu allem Überfluss auch zu weiteren Verwerfungen im Bankensektor. Der positive Effekt: die katastrophalen Umweltschäden welches die Ölförderung durch Fracking verursacht, wird vielleicht eingedämmt.


Welche Möglichkeiten ergeben sich nun in diesem aktuellen Umfeld einer wahrscheinlich volatilen Preisrange im unteren Bereich für den geschulten Anleger? Es gibt neben dem aktiven Trading im Future noch zwei interessante Strategien. Da wäre zum einen der sogenannte Bear-Call-Spread. Diese Optionsstrategie wird mit Future-Optionen folgendermassen aufgebaut: Es wird entweder ein „in the money“ Call (im Geld) oder „at the money“(am Geld) verkauft, dazu wird ein „out of the money“ Call (aus dem Geld) gekauft und dient als Absicherung gegen zu stark steigende Kurse. Im folgenden Bild sehen wir eine Momentaufnahme der Quotierung der Juli Futures-Optionen für den Strike-Price $20 und $25 Dollar vom 23.April 2020.




Wenn wir diese beiden Preise als Bestandteil eines Beispiels verwenden wollten, so würde sich daraus ergeben. Aktueller Preis des Futures: unterhalb $20 Dollar. Verkauf des $20er Call (am Geld) zu circa $5.40 und Kauf des $25er Call (aus dem Geld) zu circa $2.75 (zu beachten: diese Optionen haben einen Multiplikator von 1000). Die ideale Erwartung, welche dieser Strategie zugrunde liegt, ist der wertlose Verfall beider Optionen bei einem Future-Preis unter $20 zum Verfallsdatum. Bei dieser Konstruktion ist sowohl der Gewinn als auch der Verlust begrenzt. Der Gewinn besteht aus der Differenz der erhaltenen Prämie von $5.40(short Call $20) abzüglich der bezahlten Prämie von $2.75(long Call $25), also $2.65 (mal 1000). Sollte sich der Preis zum Verfall jedoch oberhalb von $25 Dollar bewegen, so ist unser Verlust limitiert auf die Differenz zwischen $20 und $25 abzüglich der eingenommenen Prämie: also $5 minus $2.65…… ist gleich $2.35. Schon der Verlust des Zeitwerts, denn aus nichts anderem besteht der Preis für die Optionen „aus dem Geld“, kann einige Tage vor dem Verfall das Schließen dieser Position sinnvoll machen.


Eine weitere Strategie, welche sich im Rahmen der aktuellen Bedingungen anbietet ist der sogenannte Calendar-Spread. Es wird der „Front month“, also der aktuelle Future mit dem nächsten Verfallsdatum verkauft(geshortet) und der nächste Verfallsmonat gekauft. Diesen Spread kann man unter „normalen Umständen“ auch anders herum aufbauen, da auch hier ein Zeitwertverlust auftritt und den Spread verringert. Im folgenden Bild sehen wir den Crude Oil Juni Kontrakt in Candlesticks und den Juli Kontrakt als Linien-Chart.




In der jetzigen Situation ist der beschriebene Aufbau(front month short) deshalb interessant, da zum Verfall hin nochmals, wenn auch nicht im Ausmaß des beschriebenen Events, mit einem sich stark weitenden Spread der beiden Kontrakte zu rechnen ist. Zum Eingehen dieser Position wäre notwendigerweise eine Verengung des Spreads abzuwarten.


Hinweis: Die beschriebenen Strategien stellen keine Anlageberatung dar, sondern dienen lediglich der Weiterbildung im Bereich Finanzmarkt-Instrumente. Die Spekulation mit Derivaten ist mit großem Risiko verbunden.

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